Der Einfluss von Nadi Shodana auf das Gehirn

Ein verblüffendes Ergebnis wird nach 10 Minuten erzielt – eine EEG-Messung der Balance zwischen den Gehirnhälften vor und nach Nadi Shodana.


Größere Ruhe und Klarheit, aber auch mehr Energie und Inspiration, das ist, wie die Leute oft sagen, was sie durch die Anwendung von Nadi Shodana (dem Wechselatem) erreichen. Kann dies aber wissenschaftlich gemessen werden?

EEG und Gehirnwellen

Im Gehirn findet dauernd eine rhyth­mische, elektrische Aktivität statt, die so­genannten Gehirnwellen. Deren Messung durch Elektroden auf dem Kopf wird Elektroenzephalographie genannt (EEG).

Es gibt vier Arten von Gehirnwellen. Im tiefen Schlaf hat man überwiegend Deltawellen (1-4 Schwingungen/Sekunde) und im schläfrigen, träumenden Zustand Theta-wellen (4-8 Schwing./Sek.).

Die für uns interessantesten Rhythmen heißen Alphawellen (8-13 Schwing./Sek.). Sie kommen meist vor, wenn eine Person geschlossene Augen hat, mental entspannt und doch wach und erlebend ist. Wenn die Augen geöffnet werden oder die Person auf andere Weise abgelenkt wird, werden die Alphawellen zugunsten der schnelleren Betawellen (13-40 Schwing./Sek.) abgeschwächt, d.h. das Gehirn wird aktiviert. Die Anzahl der Alphawellen zeigt daher an, zu welchem Grad sich das Gehirn in einem Zustand entspannter Aufmerksamkeit befindet. Wenn Betawellen überwiegen, so denken und handeln wir zum großen Teil gewohnheitsmäßig, während Alphawellen zeigen, dass sich das Gehirn in einem mehr offenen und kreativen Zustand befindet, mit besserem Kontakt zu Gefühlen und dem Unterbewussten.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Anzahl der Alphawellen während der Meditation zunimmt, und vieles deutet darauf hin, dass Menschen, die meditieren, mehr Alphawellen als gewöhnlich haben.

Die zwei Gehirnhälften

Die linke Gehirnhälfte ist in ihrer Funktionsweise verbal, analytisch und logisch, während die rechte musikalisch, emotionell und räumlich auffassend ist. Die linke Gehirnhälfte denkt in Worten und Begriffen, die rechte in Bildern, Gefühlen und Empfindungen.

In einem normalen Gehirn verschiebt sich die Balance spontan zwischen der rechten und linken Seite, abhängig davon, was man tut. Wenn man liest, schreibt und spricht, so ist die linke Gehirnhälfte aktiver als die rechte. Wenn man dagegen Musik hört oder von einem visuellen, räumlichen Sinneseindruck erfüllt ist, so ist die rechte Gehirnhälfte aktiver.

Es ist für die kreative Aktivität des Individuums wichtig, eine „korrekte“ Balance und Kommunikation zwischen den Gehirnhälften zu haben.

Das R/L-Verhältnis

Bei der Berechnung des Verhältnisses zwischen der durchschnittlichen Anzahl von Alphawellen in der rechten und linken Gehirnhälfte entsteht ein Ausdruck für das Gleichgewicht zwischen den Gehirn­hälften, das sogenannte R/L-Verhältnis. Wenn es in rechter und linker Gehirnhälfte genau die gleiche Anzahl Alphawellen gibt, so ist das R/L-Verhältnis 1. Gibt es mehr Alpha in der rechten Gehirnhälfte, ist das R/L-Verhältnis größer als 1, und umgekehrt ist das R/L-Verhältnis kleiner 1, wenn mehr Alpha in der linken Gehirnhälfte vorhanden ist.

Bei den meisten Menschen im Ruhezustand mit geschlossenen Augen liegt das R/L-Verhältnis normalerweise leicht über eins. Dies beruht vermutlich auf dem Bevorzugen der Funktionen der linken Gehirnhälfte in unserer Kultur.

In tiefer Entspannung nähert man sich jedoch einem Gleichgewicht von 1,00 zwischen den Gehirnhälften.

Frühere Studien (siehe u.a. die Artikel Dauerhafte und tief-gehende Wirkungen - und - Atlas der Gehirnaktivität nach Kriya Yoga) zeigen, dass das ideale temporale (die vorderen Schläfen­lappen) R/L-Verhältnis um ungefähr 1,10 liegen sollte, und das post-temporale (die hinteren Schläfenlappen) um 1,15.

Der Amerikaner Richard Davidson hat in jüngsten umfassenden Studien entdeckt, dass depressive Patienten in den Schläfen­lappen ein permanentes R/L-Verhältnis unter 1 hatten, während aufgeschlossene, optimistische Personen ein R/L-Verhältnis über 1 aufwiesen.

Bei 2-3-jährigen Kindern fand er in einer Gruppe von scheuen und gehemmten Kindern ein R/L-Verhältnis unter 1, während eine andere Gruppe mit aufgeschlossenen, nicht gehemmten Kindern ein R/L-Verhältnis über 1 zeigte.

Zweck

Der Zweck dieser Untersuchung war, die Hypothese zu prüfen, dass die Atemübung Nadi Shodana das Gleichgewicht zwischen den zwei Gehirnhälften verbessert.

Nadi Shodana

Der Wechselatem ( Nadi Shodana) ist eine klassische Atemübung des Yoga. Sie wird auf folgende Weise ausgeführt: man atmet durch das linke Nasenloch ein (während das rechte zugehalten wird), der Atem wird angehalten (beide Nasenlöcher werden zugehalten), danach wird durch das rechte Nasenloch ausgeatmet (während das linke zugehalten wird). Auf dieselbe Weise atmet man dann durch das rechte Nasenloch ein, hält den Atem an und atmet dann durch das linke aus. Dies ist eine Runde.

Für eine ausführliche Beschreibung der unterschiedlichen Stufen von Nadi Shodana siehe das Buch Yoga, Tantra und Meditation im Alltag von Swami Janakananda (Bindu Verlag).

Methode

Bei zwei Gruppen, bestehend aus je 12 Versuchspersonen, wurden EEG-Mess­ungen vor und nach Nadi Shodana vorge­nommen. Gruppe A bestand aus Lehrern und Schülern der Skandinavischen Yoga- und Meditationsschule in Kopenhagen mit mehrjähriger Erfahrung mit Nadi Shodana. Gruppe B bestand aus Kurs­teilnehmern der Schule, die gerade eben Nadi Shodana erlernt hatten. Alle Versuchspersonen waren Rechtshänder. Wir vermieden Linkshänder, da diese eine andere Balance zwischen den Gehirnhälften haben können.

Alle Versuchspersonen machten fünf Runden Nadi Shodana, wie oben beschrieben. Dies dauerte 10 bis 15 Minuten. Die EEG-Messungen wurden von vier Elektroden auf der linken und vier auf der rechten Gehirnhälfte abgeleitet, die am Kopf mit einem elastischen Band befestigt waren (s. Abb. 2). Von den Elektroden wurden die Signale über einen Verstärker zu einem Rechner geleitet, wo das acht-kanalige EEG auf dem Bildschirm dargestellt wurde. Gleichzeitig wurden sie für spätere Analysen auf der Festplatte gespeichert. Perioden von ca. 60 Sekunden EEG-Aufzeichnung, eine vor und eine nach Nadi Shodana, wurden analysiert. In dieser Untersuchung werteten wir die vier Kanäle von den Schläfenlappen aus.

Ergebnis

Bei allen Versuchspersonen in der geübten Gruppe bewegten sich die Änderungen hin zu einer optimalen Balance (Abb. 1). Fünf Personen, deren ursprüngliches R/L-Verhältnis unter 1 lag, hatten nach Nadi Shodana Werte über 1. Und umgekehrt, fünf Personen, die vor der Übung hohe R/L-Verhältnisse hatten, bekamen nach der Übung kleinere Werte näher dem Optimum.

Das durchschnittliche temporale Ver­hältnis fiel von 1,19 auf 1,11, während das post-temporale Verhältnis von 1,43 auf 1,19 fiel. Diese Änderungen sind statistisch signifikant und können nicht auf Zufälle zurückgeführt werden.

Obwohl die meisten Änderungen in der ungeübten Gruppe in Richtung Balance weisen, sind sie jedoch nicht statistisch signifikant.

Diskussion und Schlussfolgerung

Bei mehreren der geübten Teilnehmer sah man außer mehr Alphawellen auch eine Zunahme an Beta-wellen nach Nadi Shodana. Etwas, das paradox erscheinen mag, da diese Aktivierung des Gehirns normalerweise eine Verminderung der Anzahl der Alphawellen mit sich führt. Dies sollte man so interpretieren können, dass man zugleich aktiver wird und einen ruhigen und klaren Kopf bewahrt.

Ein ähnliches „Paradox“ fanden wir bei einer früheren Untersuchung, als wir ein EEG während der Tiefenentspannung Yoga Nidra ableiteten. Normalerweise, wenn die Anzahl an Theta-wellen zunimmt, verringert sich die Anzahl an Alphawellen und man schläft ein. Während Yoga Nidra hingegen erhöhte sich die Anzahl an Theta­-wellen, und die Abnahme an Alpha­wellen war minimal. Das bedeutet, dass man nicht einschläft, sondern bewusst und wach bleibt, selbst in diesem tieferen Zustand.

In Abb. 3 kann man sehen, wie die Anzahl an Alphawellen in der rechten Hirnhälfte nach Nadi Shodana zugenommen hat; wir haben ein optimales R/L-Verhältnis be­kommen. Diese optimale Balance könnte ebenso „geschaffen“ werden, indem man die Anzahl Alphawellen in der linken Hirnhälfte senkt, was, wie man herausge­funden hat, bei gewissen Therapieformen geschehen ist. Mit Nadi Shodana hingegen erreicht man zugleich ein verbessertes R/L-Verhältnis und eine erhöhte Anzahl Alphawellen.

Frühere Messungen vor und nach Kriya Yoga zeigen dieselben günstigen Veränder­ungen wie nach Nadi Shodana. Das durch­schnittliche temporale R/L-Verhältnis nach Kriya Yoga war 1,12 (siehe Bilder von des Gehirns während Yoga Nidra).

Sogar die EEG-Messungen der Teil­nehmer der Dreimonatskurse (1986-91) zeigten dieselbe Verbesserung des R/L-Verhältnisses. Hier wurden die Messungen jedoch nicht in Verbindung mit einer Meditationsübung vorgenommen, sondern im gewöhnlichen Ruhezustand vor und nach dem Kurs. Dieses Resultat weist auf eine permanente Langzeitwirkung hin (siehe Dauerhafte und tief-gehende Wirkungen).

Bei allen Personen kamen diese positiven Veränderungen in den Bereichen des Gehirns vor, die eng verbunden sind mit dem limbischen System, das wiederum eng mit unseren Gefühlen verbunden ist.

Aufgrund unseres Ergebnisses ziehen wir daher den Schluss, dass Nadi Shodana, wenn es regelmäßig über längere Zeit ausgeführt wird, einen günstigen Einfluss auf die Balance zwischen den Gehirnhälften hat und damit eine gefühlsmäßig stabilisierende Wirkung auf das Individuum.

Abb. 1 R/L-Verhältnis vor und nach Nadi Shodana (Wechselatem)

A. Fünf Personen in der geübten Gruppe, die vor Beginn ein R/L-Verhältnis unter 1 hatten, hatten nach Nadi Shodana Werte über 1. Und umgekehrt, fünf Personen, die vor der Übung ein hohes R/L-Verhältnis hatten, bekamen nach der Übung geringere Werte, so dass alle Personen in dieser Gruppe sich dem bestmöglichen Verhältnis zwischen den Hirnhälften näherten.
Nach Nadi Shodana landeten alle in der geübten Gruppe viel näher am Durchschnitts­wert, d.h. dass dies statistisch signifikant ist.

B. In der ungeübten Gruppe zeigten die Werte nach Nadi Shodana eine größere Streuung, was zur Folge hat, dass dieses Ergebnis nicht statistisch signifikant ist (obwohl deren Durchschnitt für den temporalen Bereich derselbe wie der optimale Wert ist).

* Diese Änderungen sind statistisch signifikant und können nicht auf Zufälle zurückgeführt werden.

Wilcoxon test: * p<.001, ns=nicht signifikant, N=10

Abb. 2 Die Platzierung der Elektroden auf dem Kopf während der EEG-Ableitung

In dieser Untersuchung analysieren wir die vier Kanäle (T3-T6) von den Schläfenlappen.

 

Abb. 3. Gehirnkarten

Vor Nadi Shodana Nach Nadi Shodana

Abb. 3 Gehirnkarten
Die mittleren Figuren auf den Bildern (siehe Pfeile) zeigen die Alphaaktivität vor und nach Nadi Shodana. Vergleicht man diese, so sieht man, dass nach Nadi Shodana die Anzahl der Alphawellen in der rechten Gehirnhälfte zugenommen hat (mehr rot), und dass die Balance zwischen den Hirnhälften jetzt besser ist.

(Für mehr Information über Gehirnkarten siehe Atlas der Gehirnaktivität nach Kriya Yoga).

Sieh auch: Genügend Sauerstoff während Nadi Shodana